Aktualisiert am 12. Oktober 2020
Aktualisierter Cochrane Living Review zur Nutzung von Rekonvaleszenten-Plasma zur Behandlung von COVID-19
Menschen, die sich von COVID-19 erholt haben, besitzen in ihrem Blutplasma Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die eine wichtige Rolle in der erworbenen Immunität gegen die Krankheit spielen. Aus diesem Grund könnte Plasma aus einer Blutspende von genesenen Patienten, welches solche Antikörper enthält, möglicherweise zur Behandlung von akut an COVID-19 erkrankten Patienten verwendet werden. Dafür nutzt man entweder direkt das zellfreie Blutplasma („Rekonvaleszenten-Plasma“) oder stellt aus solchen Plasmaspenden ein sogenanntes Hyperimmunserum mit einer besonders hohen Konzentration von Antikörpern her.
Dieses Prinzip der Plasmatherapie wurde bereits Ende des 19. Jahrhundert von Emil von Behring entdeckt und seither erfolgreich gegen eine Reihe von Infektionskrankheiten eingesetzt. Diese Behandlungen (verabreicht durch einen Tropf oder eine Injektion) sind im Allgemeinen gut verträglich, es können aber auch unerwünschte Wirkungen auftreten.
Die Autoren dieses „Cochrane Rapid Review“ wollten herausfinden, ob eine solche Plasmatherapie mit Plasma beziehungsweise Antikörpern von genesenen COVID-19-Patienten eine wirksame Behandlung für Menschen mit COVID-19 ist und in wie weit sie unerwünschte Wirkungen verursacht. Dafür durchsuchten die Autoren systematisch wichtige medizinische Datenbanken nach klinischen Studien zur Behandlung mit Rekonvaleszenten-Plasma oder Hyperimmunserum für Patienten mit COVID-19. Cochrane Rapid Reviews wie dieser werden in einem beschleunigten Verfahren erstellt, das bei besonders dringlichen Fragestellungen die bestmögliche Balance zwischen Geschwindigkeit und methodischer Genauigkeit sicherstellen soll.
Die erste Veröffentlichung des Cochrane Living Systematic Reviews fand am 14. Mai 2020 statt, am 10. Juli erschien die erste Aktualisierung, am 12. Oktober die zweite. Sie umfasst nun 19 Studien (2 randommisierte kontrollierte Studien, 8 kontrollierte nicht-randommisierte Studien zu Interventionseffekten oder NRSIs, 9 nicht-kontrollierte NRSIs) mit 38,160 Teilnehmern (zuvor waren es nur 5443 Teilnehmer), davon 36,081, die Plasma von Rekonvaleszenten erhielten.
Die Vertrauenswürdigkeit der im Review eingeschlossenen Evidenz ist dadurch sehr begrenzt, zumal die meisten Studien auch keine zuverlässigen Methoden zur Messung ihrer Ergebnisse verwendeten. Darüber hinaus erhielten die Teilnehmer neben dem Rekonvaleszenten-Plasma noch unterschiedliche weitere Behandlungen und litten bereits an verschiedenen Grunderkrankungen.
Die Autoren können dementsprechend nicht mit Sicherheit sagen, ob das Plasma von Menschen, die sich von COVID-19 erholt haben, eine wirksame Behandlung für Menschen mit COVID-19 ist. Die im Review eingeschlossenen Studien waren nach Ansicht der Autoren von schlechter Qualität, und ihre Ergebnisse könnten ebenso mit dem natürlichen Fortschreiten der Krankheit oder anderen Behandlungen, die die Teilnehmer erhielten, zusammenhängen, wie mit dem Rekonvaleszenten-Plasma – man weiß es bislang schlichtweg nicht.
Die Hauptautorin, Sarah Valk vom Center for Clinical Transfusion Research at Sanquin Blood Supply in den Niederlanden, sagt:
„Zusammenfassend sind wir hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit der Verwendung von Rekonvaleszenten- Plasma für Menschen mit COVID-19 nach wie vor sehr unsicher. Wir wissen auch einfach nicht, ob das Plasma einen wirklichen Unterschied für die Anzahl der ernsthaften Nebenwirkungen macht oder nicht. Die bisherigen Befunde können auf viele Faktoren zurückgeführt werden: dem natürlichen Krankheitsverlauf oder der natürlichen Genesung, mit anderen Behandlungen, die gleichzeitig laufen, oder mit der Zufuhr von Rekonvaleszenzplasma.“
„Allerdings werden sich diese Ergebnisse wahrscheinlich ändern. Wir haben etwa 98 noch laufende Studien identifiziert, von denen es sich bei 50 um randomisierte Studien handelt. Diese Veröffentlichung ist lediglich die erste Aktualisierung dieses Living Systematic Reviews. Der Review wird zukünftig weiterhin regelmäßig aktualisiert, damit er die neueste, verfügbare Evidenz widerspiegelt.“