Bessere Evidenz und Kommunikation in der Pandemie könnten Millionen Menschenleben retten

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Die Online-Konferenz Cochrane Convenes brachte im vergangenen Oktober führende Köpfe aus aller Welt auf dem Gebiet der Evidenzsynthese zusammen. Ihr Ziel war es, Lehren aus der Pandemie herauszuarbeiten, die uns helfen, künftig besser auf globale Gesundheitsnotlagen zu reagieren. Der Bericht zu Cochrane Convenes fasst dringenden Empfehlungen an all jene zusammen, die Evidenzsynthesen finanzieren, generieren und nutzen.

Die vergangenen zwei Jahre der COVID-19-Pandemie haben wie kein Ereignis zuvor wissenschaftliche Erkenntnisse in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gestellt. Regierungen und andere Stellen sind dem Ruf „Höre auf die Wissenschaft!“ gefolgt - oder haben dies zumindest von sich behauptet.
Seit den ersten Tagen der Pandemie haben Cochrane und andere Organisationen aus dem Bereich der Evidenzsynthese Tausenden von Studien zu COVID-19 ausgewertet und zusammengefasst, um sie für Entscheidungsträger und Öffentlichkeit verständlich und nutzbar zu machen. Das Auftauchen der Omicron-Variante zeigt abermals den dringenden Bedarf an einer raschen Aufbereitung der zu Beginn noch unsicheren Evidenz als Grundlage für schnelle Reaktionen.

„Wie viele andere war auch ich besonders besorgt über die Zunahme bestehender Ungleichheiten und die Art und Weise, wie diejenigen, die ohnehin benachteiligt sind, unverhältnismäßig stark von der Pandemie betroffen wurden. Wir, die Community der Produzenten und Nutzer von Evidenzsynthesen waren nicht so gut auf die COVID-19-Pandemie vorbereitet, wie wir es hätten sein können“, sagt Dr. Karla Soares-Weiser, Chefredakteurin der Cochrane Library.

Um aus den vielfältigen Erfahrungen zu lernen, lud Cochrane im Oktober 2021 führende Köpfe aus aller Welt ein, über ihre Erfahrungen mit der Erstellung, dem Austausch und der Nutzung von Evidenz während der Pandemie zu reflektieren. Cochrane Deutschland war hier durch Prof. Joerg Meerpohl vertreten. Ziel der Online-Konferenz „Cochrane Convenes“, die in Zusammenarbeit mit der WHO und dem Co-Organisator COVID-END veranstaltet wurde, war es, Bereiche mit Verbesserungsbedarf auszumachen und Empfehlungen für die Zukunft zu erarbeiten. Im nun veröffentlichten Bericht werden diese Herausforderungen erörtert und die Empfehlungen des Treffens vorgestellt.

Der Bericht hebt drei große Problembereiche in der bisherigen Reaktion auf COVID-19 hervor:

  • Die Reaktion auf die Pandemie war von globaler Ungleichheit gekennzeichnet, was den Fokus der Erkenntnisse, die beteiligten Personen und die Zielgruppen anbelangt.
  • Die derzeitigen wissenschaftlichen Methoden, Instrumente und Verfahren sind an ihre Grenzen gestoßen, wenn es darum geht, Fragen rasch zu beantworten.
  • Angesichts einer Infodemie aus Fake News und Halbwahrheiten haben Forscher Schwierigkeiten, wissenschaftliche Unsicherheiten zu vermitteln und Vertrauen in die Evidenz aufzubauen.

Im Laufe des kommenden Jahres wird Cochrane mit einer Gruppe von Experten zusammenarbeiten, um die dringlichsten Empfehlungen weiterzuentwickeln. Dazu gehören:

  • Unterstützung bei der Einrichtung von Evidenzsynthese-Einheiten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Dadurch sollen einige der ärmsten Länder der Welt Zugang zu Evidenz erhalten, die für ihre Region relevant ist und die globale Ungleichheit reduziert werden.
  • Investitionen in eine Wissenschaftskommunikation, die Unsicherheiten in einer für die Bürger verständlicheren Weise kommuniziert und Themen proaktiver aufgreift.
  • Stärkung von Instrumenten, Methoden, Prozessen und Netzwerken, um im nächsten globalen Gesundheitsnotstand schneller relevante Evidenz liefern zu können.

Der Bericht appelliert auch an andere wichtige Akteure im Bereich der Evidenzgenerierung und -nutzung, dringende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Geldgeber müssen Mittel zur Deckung des nationalen und internationalen Forschungsbedarfs bereitstellen. Dabei gilt es, Ungleichheiten zu beseitigen, insbesondere was die Finanzierung von Evidenzgenerierung, Kommunikation, Netzwerken und Infrastruktur in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen angeht.
  • Politiker*innen müssen Evidenz einfordern undtransparent machen, wie (und welche) Evidenz sie bei der Entscheidungsfindung verwenden. Sie müssen diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die absichtlich Fehlinformationen verbreiten.
  • Forscher*innen müssen sich für Forschungstransparenz und Datenaustausch einsetzen und bei betrügerischen Studien schneller Alarm schlagen.
  • Wissenschaftskommunikator*innen müssen lernen, wie man Unsicherheiten kommuniziert, Vertrauen in Evidenz schafft und Fehlinformationen entgegenwirkt.

Stellungnahmen von Beteiligten:

„Die WHO wird sich mit ihrem klaren globalen Mandat weiterhin auf prioritäre Fragen konzentrieren, die für die Länder relevantesten Maßnahmen konzipieren, Fehlinformationen bekämpfen, auf den Abbau von Ungleichheiten beim Zugang zu den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen drängen und die Aktivitäten zur Leitung und Koordinierung dieser Aspekte der Reaktion verdoppeln. Unsere wichtigste Aufgabe wird es weiterhin sein, einen ‚lebenden‘ Ansatz für die Entwicklung und Umsetzung von Leitlinien zu entwickeln.“

Dr. John Grove, Direktor der Abteilung Qualitätssicherung, Normen und Standards, Abteilung Wissenschaft der WHO

„Die COVID-19-Pandemie und ihre Auswirkungen haben viele Menschenleben auf der ganzen Welt gefordert. Cochrane Convenes wurde aus einem Gefühl der Verantwortung heraus organisiert, um aus unseren Erfahrungen zu lernen und für künftige gesundheitliche Notstände besser gerüstet zu sein. Die Cochrane-Community ist ein globales Netzwerk, das wir nutzen können, um den Wandel voranzutreiben. Natürlich können und werden wir dies nicht allein tun. Ich hoffe, dass Geldgeber, politische Entscheidungsträger und Forschung diesen Bericht als Aufruf begreifen, sich uns anzuschließen.“

Dr. Karla Soares-Weiser, Chefredakteurin der Cochrane Library

„Die COVID-Pandemie hat auch Cochrane Deutschland vor große Herausforderungen gestellt. Besonders engagiert haben wir uns im Bereich der Wissenstranslation von Cochrane Evidenz im deutschsprachigen Raum. Zusammen mit unserem Kooperationspartner, dem Institut für Evidenz in der Medizin an der Uniklinik Freiburg, sowie mehr als 20 weiteren nationalen und internationalen Partnern haben wir mit Finanzierung des Bundeministeriums für Bildung und Forschung das nationale COVID-Evidenz-Ökosystem CEOsys aufgebaut, um den durch Cochrane Convenes identifizierten Herausforderungen auf nationaler Ebene entgegenzutreten. Dieser methodisch-ganzheitliche Ansatz ist wegweisend und könnte in Zukunft auch auf internationaler Ebene zur Anwendung kommen“.

Prof. Dr. Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland


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