Ein aktueller Cochrane Review untersucht die Wirksamkeit von Fluvoxamin bei COVID-19. Die Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass Fluvoxamin bei frühzeitiger Einnahme möglicherweise das Sterberisiko und das Risiko, ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, bei zuhause selbstisolierten Patienten verringern kann.
Fluvoxamin ist ein auf die Psyche wirkendes Medikament, das bei Depressionen sowie bei Angst- und Zwangsstörungen weit verbreitet eingesetzt wird. Fluvoxamin gehört zu einer Gruppe von Wirkstoffen, die aufgrund ihres Wirkmechanismus SSRI (engl.: selective serotonin re-uptake inhibitor, deutsch: selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) genannt werden. Sie verhindern, dass der an den Nervenenden freigesetzte Botenstoff Serotonin wieder in die Nervenzelle aufgenommen und dadurch unwirksam gemacht wird.
Präklinische Daten lassen vermuten, dass Fluvoxamin (oder andere SSRI) bei einer COVID-19-Erkrankung die Entzündung in den Atemwegen abklingen lassen oder auch direkt gegen das Virus gerichtet wirken könnte.
Ein Cochrane Review unter Federführung von Wissenschaftler*innen vom Institut für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg geht nun der Frage nach, ob Fluvoxamin die Sterblichkeit und den Schweregrad einer COVID-19-Erkrankung einschließlich der Infektionsdauer verringern kann.
Die Wissenschaftler*innen um Christine Schmucker identifizierten zwei abgeschlossene Studien, die Fluvoxamin als Behandlung bei zuhause selbstisolierten Patienten mit einer leichten COVID-19 Infektion untersuchten. Darüber hinaus wurden fünf laufende Studien identifiziert. Für zwei weitere Studien reichen die publizierten Informationen noch nicht für eine Auswertung aus.
Die Auswertung der bis Februar 2022 verfügbaren Evidenz zeigt: Wird die Behandlung über 10 oder 15 Tage lang ambulant, zusätzlich zu einer symptomatischen Behandlung beispielsweise mit fiebersenkenden Mitteln, durchgeführt, kann Fluvoxamin im Vergleich zu einer Placebobehandlung die Zahl der Betroffenen, die innerhalb von 28 Tagen nach Behandlungsbeginn sterben, möglicherweise leicht verringern. Ebenso könnte es sein, dass weniger Betroffene ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen.
Das Vertrauen der Cochrane-Autor*innen in die Ergebnisse ist jedoch gering. Zum einen bezieht sich die vorliegende Evidenz auf die Ergebnisse aus nur zwei Studien, an denen überwiegend Hochrisikopatienten teilnahmen, d. h. die meisten Teilnehmenden waren älter als 50 Jahre oder hatten mindestens eine Komorbidität wie z.B. Asthma, Bluthochdruck oder Diabetes. Zum anderen zeigen die Studien Schwächen in der methodischen Durchführung.
Ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Wirkungen von Fluvoxamin fiel in den Studien nicht auf (kein Unterschied zu einer Placebobehandlung). Auch aus der weit verbreiteten Anwendung bei psychischen Erkrankungen ist bekannt, dass der Wirkstoff in der Regel gut verträglich ist.
Die Cochrane-Autor*innen warten derzeit darauf, dass in naher Zukunft mehr Forschungsergebnisse zur Verfügung stehen. Es sei vor allem noch abzuklären, ob Fluvoxamin einen additiven Effekt zu anderen Therapien wie zum Beispiel monoklonalen Antikörpern haben könnte und in welcher Dosierung und über welchen Zeitraum Fluvoxamin eingesetzt werden sollte. Schließlich sei auch noch unklar, ob sich die Ergebnisse der Studien auch auf stationäre Patienten, Personen ohne Risikofaktoren für das Fortschreiten der Erkrankung oder vollständig geimpfte Menschen übertragen lassen. Auch für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem würden noch Daten benötigt.
Zum Review Fluvoxamin zur Behandlung von COVID-19
Zum Review im Volltext Fluvoxamine for the treatment of COVID‐19