Kann eine Psychedelika-unterstützte Therapie Ängste bei lebensbedrohlich Erkrankten lindern?

Symbolbild zur Psychedelika-Wirkung im Gehirn

Schwer erkrankte Menschen leiden häufig angesichts ihrer existenziellen Krise und der Konfrontation mit dem Tod unter Angst und Depressionen. Ein aktueller Cochrane Review untersucht nun, ob Psychedelika-gestützte Therapien dabei helfen können, bei lebensbedrohlich erkrankten Menschen niedergeschlagene und verzweifelte Gefühle und Gedanken zu lindern. 

Psychedelika wie LSD, der Magic-Mushroom-Wirkstoff Psilocybin und MDMA ("Ecstasy") sind in den meisten Ländern illegal. Ihre medizinische Anwendung außerhalb von Forschungsstudien ist derzeit lediglich in einigen wenigen Staaten (z.B. Schweiz, Australien) unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Gleichzeitig gewinnt die Forschung zur therapeutischen Nutzung von Psychedelika zunehmend an Bedeutung. 

Seit 2011 wurden „moderne“ RCTs zu „Psychedelika-unterstützter Therapie gegen Angst und Depressionen für Menschen mit lebensbedrohlicher Erkrankung“ durchgeführt, die nun von einem Cochrane-Team um den Palliativmediziner Christopher Böhlke (Universität Basel) mit den üblichen Cochrane-Methoden zusammengefasst und bewertet wurden. Lebensbedrohlich erkrankte Menschen leiden häufig unter Angstzuständen und Depressionen. Die Hoffnung: Eine psychedelische Erfahrung könnte helfen, ihre „negative Erwartungshaltung“ zu mildern. 

Forschende haben bei psychedelischen Wirkstoffen allerdings ein Grundsatzproblem: Eine Verblindung ist kaum möglich, denn bei psychoaktiven Substanzen ist es recht eindeutig, ob man das Psychedelikum bekommen hat oder nicht. Es gibt aber beispielsweise die Möglichkeit, Mikrodosen der Substanz als Kontrolle zu untersuchen.

Eine weitere methodische Herausforderung ist die Bestimmung der Rolle der Psychotherapie im Rahmen des Behandlungssettings. Denn die Psychedelika-Einnahme wurde in den Studien zusammen mit vorbereitender, begleitender und nachbereitender psychologischer Betreuung eingesetzt. „Set und setting“ sind aber noch nicht genau spezifiziert. 

Der Cochrane Review fand 3 Studien mit Psilocybin, 2 mit LSD und eine mit MDMA. Teilgenommen haben insgesamt nur 149 Erwachsene, die lebensbedrohlich erkrankt waren und unter Angstzuständen, Depressionen oder existenziellen Problemen litten. Die psychedelischen Wirkstoffe wurden beispielsweise im Rahmen von zwei vorbereitenden Therapiesitzungen, einer Begleitung während der Substanzwirkung und mehreren „integrierenden“ Sitzungen nach der Einnahme untersucht. Insgesamt sind die therapeutischen Gespräche also zeitintensiv. Es handelt sich um eine neue, spezielle Therapieform, die noch nicht genau definiert ist.

Die größte Studie (Psilocybin) umfasste 56 Personen und die kleinste Studie (MDMA) nur 12 Personen. Die Studien fanden alle entweder in der Schweiz oder den USA statt. Die meisten Studien erhoben die Ergebnisse nach einer bis 12 Wochen. Pharmaunternehmen waren nicht an der Finanzierung der Studien beteiligt. Stattdessen wurde die Finanzierung von Organisationen getragen, deren Ziel es ist, die Entwicklung von psychedelisch-assistierten Therapien voranzutreiben. 

Mit klassischen Psychedelika (Psilocybin, LSD)-assistierte Therapien führen im Vergleich zu Placebo (oder Niedrigdosis) möglicherweise zu einer Verringerung der bestehenden Angstneigung (8,4 Punkte weniger gemessen mit dem STAI-T, State-Trait Anxiety Inventory – Trait; 95%-KI: - 12.9 bis -3.9; 5 Studien mit 122 Teilnehmende). Auch depressive Gefühle nehmen möglicherweise ab. „Möglicherweise“ deshalb, weil das Vertrauen der Autor*innen in die Effektschätzung begrenzt ist, d.h. wenn mehr und größere Studien vorliegen werden, könnte sich dieses Ergebnis ändern.

Für die MDMA ("Ecstasy")-assistierte Therapie liegen nur sehr wenige Daten zu Angst, Depressionen und existenziellen Problemen vor. Die Ergebnisse sind daher sehr unsicher.

„LSD- und Psilocybin-assistierte Therapien gegen Angst und Depressionen für Menschen mit lebensbedrohlicher Erkrankung könnten in Zukunft zur Therapieoption werden“, meint Christoper Böhlke. Da die Evidenz jedoch nach wie vor unsicher ist, ist ein verantwortungsvoller Umgang mit diesem Thema angebracht.

Zur deutschen, laienverständlichen Zusammenfassung des Reviews

Zu unserem Blog-Beitrag zu diesem Thema