Ein aktueller Cochrane Review geht der Frage nach, ob motivierende Gesprächsführung Menschen dabei helfen kann, ihren Drogen- oder Alkoholkonsum zu reduzieren oder ganz aufzugeben.
Der Konsum von Drogen und Alkohol kann eine Reihe von schädlichen Folgen haben, darunter Abhängigkeit, körperliche und psychische Gesundheitsprobleme sowie Schwierigkeiten im sozialen Umfeld. Problematischer Suchtmittelkonsum ist längst als Erkrankung anerkannt („substance‐use disorder“) von der weltweit viele Millionen Menschen betroffen sind. Dabei wird heute immer deutlicher, dass man keine eindeutige Trennlinie zwischen „krank/nicht krank“ beziehungsweise „süchtig/nicht süchtig“ ziehen kann.
Um einem problematischen Suchtmittelkonsum entgegenzuwirken gibt es eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten. Eine davon ist der Beratungsansatz der „motivierenden Gesprächsführung“. Dabei erforschen speziell geschulte Berater*innen und Betroffene zusammen die Faktoren, die einer Reduzierung oder Aufgabe des Suchtmittelkonsums im Wege stehen. Die motivierende Gesprächsführung zielt dabei nicht darauf ab, die Betroffenen über Gefahren des Suchtmittels aufzuklären, denn derart von außen aufgebauter Druck wirkt sich bei vielen Menschen eher kontraproduktiv aus. Vielmehr geht es darum, in einem empathischen Gespräch auf Augenhöhe individuelle Gründe für und wider den Suchtmittelkonsum zu identifizieren, die Motivation zum Aufhören zu stärken und erst dann konkrete Wege zu Erreichen dieses Zieles zu finden.
In diesem aktualisierten Cochrane Review wollten die Autor*innen herausfinden, ob die motivierende Gesprächsführung tatsächlich dabei hilft, den Suchtmittelkonsum zu reduzieren oder zu stoppen. Als Vergleich dienten Gruppen von Betroffenen ohne spezielle Therapie oder mit eine anderen Form der Behandlung. Zudem untersuchten die Autor*innen, ob motivierende Interviews die Bereitschaft der Menschen zur Veränderung wirklich beeinflusst und ob sie die meist nur wenige Sitzungen umfassende Therapie bis zum Ende durchziehen. In den eingeschlossenen Studien wurden die Teilnehmenden per Zufall einer Gruppe mit motivierender Gesprächsführung und einer Kontrollgruppe zugeteilt.
Die Autor*innen des Cochrane Reviews konnten 93 Studien auswerten, die insgesamt 22.776 Teilnehmende mit Suchtmittelkonsum einbezogen. Die größte Studie umfasste 1.726 Personen und die kleinste 25 Personen. Die Studien wurden in Ländern auf der ganzen Welt durchgeführt. In den meisten Studien wurde eine einzelne Sitzung zur motivierenden Gesprächsführung durchgeführt. Die Dauer der Sitzungen variierte von 10 Minuten bis zu mehr als zwei Stunden pro Sitzung.
Die Ergebnisse zeigen, dass die motivierende Gesprächsführung möglicherweise nur einen geringen bis keinen Unterschied beim Suchtmittelkonsum im Vergleich zur Standardbehandlung oder einer anderen aktiven Behandlung macht. Kurzfristig verringert die motivierende Gesprächsführung möglicherweise jedoch den Suchtmittelkonsum im Vergleich zu keiner Behandlung. Bei der mittel‐ und langfristigen Nachbeobachtung geht der Suchtmittelkonsum durch die motivierende Gesprächsführung im Vergleich zur Beurteilung und zum Feedback wahrscheinlich leicht zurück. Es bleibt unklar, ob die motivierende Gesprächsführung eine Wirkung auf die Bereitschaft zur Veränderung und auf das Verbleiben in der Behandlung hat.
Viele dieser Ergebnisse basieren wegen methodischer Limitationen der eingeschlossenen Studien allerdings nur auf Evidenz von geringer oder sehr geringer Vertrauenswürdigkeit. Es gibt also noch große Unsicherheiten, die durch aussagekräftiger konzipierte Studien geschlossen werden sollten.
Zum Cochrane Review Motivierende Gesprächsführung zur Reduzierung des Substanzkonsums