Die politische Debatte um ein Verbot von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, bekommt neuen Antrieb. So hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eben eine neue Leitlinie veröffentlicht, die genau solche Verbote empfiehlt. Zum Leitlinien-Gremium zählte auch Prof. Dr. Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland.
Bundesernährungsminister Cem Özdemir (B90/Die Grünen) plant, an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung für Lebensmittel mit besonders hohem Zucker, Fett und Salz gesetzlich zu verbieten. Werbung für Junkfood einzudämmen, fordern Kinder- und Jugendärzte, Fachgesellschaften und Verbraucherorganisationen seit Jahren. Dass gerade auf Kinder abzielende Produkte oft ein besonders ungünstiges Nährwertprofil haben, bestätigte eben erst eine Auswertung des zum Ministerium gehörenden Max-Rubner-Instituts – so bestehen Frühstückscerealien im Schnitt zu 17 Prozent aus Zucker.
Es gibt aber auch Gegner, die in möglichen Werbeverboten staatliche Bevormundung wittern und den Effekt solcher Verbote in Frage stellen. Über die leider ziemlich lückenhafte Evidenz zum Thema Werbeverbote haben wir kürzlich berichtet.
Passend zur nicht nur in Deutschland entbrannten Debatte hat die WHO Anfang dieser Woche eine neue Leitlinie mit dem Titel „Politische Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor den schädlichen Auswirkungen der Lebensmittelvermarktung“ veröffentlicht. An der Entwicklung dieser Leitlinie war auch Jörg Meerpohl beteiligt, Direktor von Cochrane Deutschland und dem Institut für Evidenz in der Medizin (IfEM) am Universitätsklinikum Freiburg.
Die Leitlinie untermauert weitgehend den vom Bundesministerium gewählten Ansatz für das geplante Kinder-Lebensmittelwerbegesetz.
Die wichtigsten Inhalte der WHO-Leitlinie in Kürze:
- Die Leitlinie empfiehlt die Umsetzung von Politikmaßnahmen, um Werbung für Produkte mit ungünstigen Nährwertprofil, der Kinder ausgesetzt sind, zu begrenzen
- Konkret bezieht sich die Empfehlung auf Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an gesättigten und trans-Fettsäuren, freien Zucker und/oder Salz
- Entsprechende Politikmaßnahmen sollten:
- verpflichtend sein;
- Kinder jeden Alters schützen (gemäß der Definition der UN-Kinderrechtskonvention sind dies alle Personen jünger als 18 Jahre);
- ein von der Regierung definiertes Nährwertprofilmodell nutzen;
- ausreichend umfassend sein, um eine Verlagerung von problematischer Werbung in andere Medien oder Formate zu vermeiden (insbes. sollten die Regelungen nicht nur für Kindersendungen gelten, sondern für alle Formate, Medien und Plattformen, auf bzw. in denen Kinder Werbung ausgesetzt sind);
- sowohl das Ausmaß als auch die Wirkmächtigkeit (engl. power) von relevanter Werbung beschränken (z.B. indem Werbetechniken, die besonders Kinder ansprechen, wie die Nutzung von Comicfiguren, begrenzt werden).
Die neue Leitlinie ist Teil einer ganzen Serie von WHO-Leitlinien zu Ernährungsthemen. Bereits kürzlich erschienen ist eine solche Leitlinie zum Thema Süßstoffe. Weitere Leitlinien der WHO zu gesättigten und ungesättigten Fetten, sowie Kohlenhydraten sollen folgen.