Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine neue Leitlinie zu zuckerfreien Süßstoffen (non-sugar sweeteners, NSS) veröffentlicht, die von der Verwendung von NSS zur Kontrolle des Körpergewichts und zur Prävention von nicht übertragbaren Krankheiten abrät. An der Leitlinie sowie der zugrundeliegenden systematischen Übersichtsarbeit waren Wissenschaftler*innen von Cochrane Deutschland maßgeblich beteiligt.
Die neue Leitlinie der der WHO empfiehlt, „zuckerfreie Süßstoffe nicht als Mittel zur Gewichtskontrolle oder zur Reduktion des Risikos nicht übertragbarer Krankheiten einzusetzen“. Sie stützt sich zu weiten Teilen auf die Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit der verfügbaren Evidenz aus randomisierten, nicht-randomisierten und beobachtenden Studien. Diese wurde von einem Team von Wissenschaftler*innen erstellt, an dem Ingrid Töws und Szimonetta Lohner von Cochrane Deutschland beteiligt waren. Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland, war Leiter der Arbeit und Teil des Leitliniengremiums.
Die von der WHO ausgewertete wissenschaftliche Evidenz deutet insgesamt darauf hin, dass die Verwendung von NSS keinen langfristigen Nutzen für die Verringerung des Körpergewichts bei Erwachsenen oder Kindern bringt. Die Ergebnisse enthalten zudem Hinweise auf potenzielle unerwünschte Auswirkungen einer langfristigen Einnahme von NSS, etwa ein größeres Risiko für nicht übertragbare Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine erhöhte Sterblichkeit bei Erwachsenen.
„Das Ersetzen von freiem, also zugesetztem Zucker durch NSS hilft langfristig nicht bei der Kontrolle des Gewichts. Man sollte daher andere Möglichkeiten in Betracht ziehen, um die Aufnahme von freiem Zucker zu reduzieren, z. B. durch den Verzehr von Lebensmitteln mit natürlich vorkommenden Zuckern wie Obst, oder von ungesüßten Lebensmitteln und Getränken“, sagt Francesco Branca, WHO-Direktor für Ernährung und Lebensmittelsicherheit in einer Pressemitteilung der WHO. „NSS tragen nicht zu einer gesunden Ernährung bei und haben keinen Nährwert. Für eine bessere Gesundheit sollten Menschen schon in jungen Jahren die Süße in ihrer Ernährung insgesamt reduzieren.“
Die neue WHO-Empfehlung gilt für alle Menschen, mit Ausnahme von Personen mit bereits bestehender Diabetes. Sie umfasst alle synthetischen und natürlich vorkommenden oder modifizierten nicht-nutritiven Süßstoffe, die nicht als Zucker klassifiziert sind und die in verarbeiteten Lebensmitteln und Getränken enthalten sind oder als Süßstoff-Zusatz verkauft werden. Zu den gängigen NSS gehören Acesulfam K, Aspartam, Advantam, Cyclamat, Neotam, Saccharin, Sucralose, Stevia und Stevia-Derivate.
Die Empfehlung gilt nicht für Körperpflege- und Hygieneprodukte, die NSS enthalten, wie z. B. Zahnpasta, Hautcreme und Medikamente. Sie gilt ebenfalls nicht für kalorienarme Zucker und Zuckeralkohole (Polyole). Dabei handelt es sich um Zucker oder Zuckerderivate, welche Kalorien enthalten und daher nicht als NSS gelten.
Da der in der Evidenz beobachtete Zusammenhang zwischen NSS und nicht-übertragbaren Krankheiten durch Ausgangsmerkmale der Studienpopulationen und komplizierte Muster des NSS-Konsums verzerrt werden könnte, wurde die Empfehlung gemäß den WHO-Verfahren zur Entwicklung von Leitlinien als „schwach“ eingestuft. Politische Entscheidungen, die auf dieser Empfehlung beruhen, sollten also in spezifischen Länderkontexten eingehend erörtert werden, z. B. im Zusammenhang mit dem Umfang des Konsums in verschiedenen Altersgruppen, so die WHO.
Die WHO-Leitlinie zu NSS ist Teil einer Reihe bestehender und künftiger Leitlinien zu gesunder Ernährung, die darauf abzielen, lebenslange gesunde Ernährungsgewohnheiten zu etablieren, die Qualität der Ernährung zu verbessern und das Risiko von NCDs weltweit zu verringern.
Zur Leitlinie „Use of non-sugar sweeteners: WHO guideline“
Zur Pressemitteilung der WHO