Die Autoren eines aktuellen Cochrane Reviews kommen zu dem Schluss, dass die zu Anfang der Pandemie oftmals gehypten Wirkstoffe bei COVID-19 keinen Nutzen haben. Die vorliegende Evidenz reicht demnach aus, weitere Studien sind nicht nötig.
COVID-19 ist die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste, äußerst ansteckende Infektionskrankheit, die einen tödlichen Verlauf nehmen kann. Auf der Suche nach Behandlungsansätzen wurden auch zahlreiche Medikamente, die normalerweise für andere Erkrankungen verwendet werden, bei COVID-19 Patienten ausprobiert. Dazu gehören die verwandten Wirkstoffe Chloroquin, ein Medikament, das normalerweise für Malaria verwendet wird, und Hydroxychloroquin, das normalerweise für rheumatische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder systemischem Lupus erythematodes angewandt wird.
Die Autoren des neuen Cochrane Reviews suchten nach Evidenz für die Wirksamkeit dieser beiden Medikamente in der Behandlung von COVID-19-Patienten. Zudem wollten sie eine mögliche vorbeugende Wirkung bei Menschen untersuchen, die einem generell erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, z. B. Angehörige der Gesundheitsfachberufe oder bei Menschen, die Kontakt mit Erkrankten und damit höchstwahrscheinlich auch mit dem Virus hatten.
Kernaussagen des Reviews
- Hydroxychloroquin reduziert nicht die Anzahl der Todesfälle durch COVID-19 und wahrscheinlich auch nicht die Anzahl von Personen, die künstlich beatmet werden müssen.
- Hydroxychloroquin verursachte mehr Nebenwirkungen als eine Behandlung mit Placebo (Scheinmedikament), allerdings fielen diese in der Regel mild aus.
- Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass keine weiteren Studien benötigt werden, die die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin zur Behandlung von COVID-19 untersuchen.
Bhagteshwar Singh, Hauptautor dieses systematischen Reviews und Clinical Research Fellow am Institute of Infection, Veterinary & Ecological Sciences, der University of Liverpool kommentiert:
„Zu Beginn der Pandemie wurden Chloroquin und Hydroxychloroquin als Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten von COVID-19 in Betracht gezogen. Die Evidenz aus Studien, die zu Anfang der Pandemie durchgeführt wurden, war jedoch nicht ausreichend. Neuere Evidenz aus größeren Studien führte uns zur Schlussfolgerung, dass Hydroxychloroquin für Krankenhauspatienten mit COVID-19 nicht von Vorteil ist. Für die Prävention von COVID-19 und für Patienten, die ambulant behandelt werden, ist die Evidenzlage weniger eindeutig. Da jedoch kein Nutzen des Medikaments für die Behandlung einer schweren COVID-19-Erkrankung festgestellt werden konnte, ist der Nutzen in diesen Situationen ebenfalls unwahrscheinlich.“
Singhs Kollege und Koautor Tom Fletcher fügt hinzu: „Die Schlussfolgerungen unseres Reviews sollten ebenfalls einen Schlussstrich unter die Verwendung des Medikaments zur Behandlung von COVID-19 ziehen. Jedoch sind Ärztinnen und Ärzte in einigen Ländern immer noch vom frühen Anwendungs-Hype gefangen und verschreiben das Medikament weiter. Wir hoffen, dass unser Review dazu beiträgt, diesen Hype zu stoppen.“
Was genau wurde im Review untersucht?
Das Autoren-Team suchte nach Studien, die sich mit der Anwendung von Chloroquin und Hydroxychloroquin bei COVID-19-Kranken sowie bei Menschen mit hohem Ansteckungsrisiko befassten.
Sie fanden 14 relevante Studien:
- 12 Studien zur Behandlung mit Chloroquin oder Hydroxychloroquin von 8569 erwachsenen COVID-19-Patienten.
- Zwei Studien zur Vorbeugung von COVID-19 mit Hydroxychloroquin mit 3346 Erwachsenen, die dem Virus ausgesetzt waren, aber keine Symptome einer Infektion zeigten.
- Die Autoren fanden keine abgeschlossenen Studien, die die Wirksamkeit dieser Medikamente zur Vorbeugung von COVID-19 bei Personen untersuchten, die z. B. beruflich bedingt ein erhöhtes Ansteckungsrisiko haben.
Die Studien wurden in China, Brasilien, Ägypten, Iran, Taiwan, Nordamerika und Europa durchgeführt. Einige der Studien wurden zum Teil von Pharmaunternehmen finanziert, die an der Produktion von Hydroxychloroquin beteiligt sind.