Eine Freiburger Forschergruppe um Julia Stadelmaier und Lukas Schwingshackl hat untersucht, wo bei Ernährungsstudien entscheidende Fehlerquellen lauern, mit überraschendem Ergebnis.
Randomisierte Studien liefern die zuverlässigsten Ergebnisse für den Vergleich verschiedener Maßnahmen in der klinischen Forschung. Systematische Fehler (Bias) können allerdings auch in solchen Studien dazu führen, dass die Ergebnisse verfälscht werden.
Bei der Durchführung einer Studie lauern an verschiedenen Stellen Bias-Gefahren. So können diese systematischen Verzerrungen schon in der Planung auftreten, später während der Durchführung oder in der Ergebnisanalyse. Zu einer Fehleinschätzung des tatsächlichen Effekts kann zum Beispiel führen,
--wenn die Zuteilung der Studienteilnehmenden in Behandlungs- und Kontrollgruppe nicht nach dem Zufallsprinzip erfolgte (Randomisierung) oder wenn diese nicht allen Studienbeteiligten über den gesamten Studienzeitraum verborgen war (verdeckt);
--wenn nicht alle Beteiligten (Teilnehmende, Behandelnde und Auswertende) „verblindet“ waren, d.h. sie wussten nicht, wer welche Behandlung erhält;
-- wenn am Ende nicht alle randomisierten Teilnehmenden in die Ergebnisauswertung einbezogen wurden.
Doch wie stark ist der verzerrende Effekt solcher systematischen Fehler wirklich bei Studien? Können sie die Ergebnisse einer Studie komplett verfälschen oder geht es eher um kleine Abweichungen, die an den Aussagen wenig ändern?
Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen vom Institut für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg hat sich dieser Frage nun genauer gewidmet. Dabei beschränkten sie sich auf Untersuchungen zu Effekten der Ernährung auf die Entstehung von Krankheiten (Nährstoff-Supplementierung und verschiedene Lebensmittel oder Ernährungsformen).
Die Autor*innen berücksichtigten ausschließlich Daten aus Cochrane Reviews, da diese die höchsten Qualitätsstandards für systematische Reviews erfüllen. Insgesamt bezogen sie 27 Cochrane Reviews mit 77 Metaanalysen in ihre Analyse mit ein. Erforscht wurde für die einzelnen Bias-Domänen (bewertet mit dem Cochrane-Risk-of-Bias-Tool), ob und in welchem Umfang sich die Ergebnisse der Studien mit hohem/unklarem Bias von den Studien mit niedrigem Bias-Risiko unterscheiden.
Ihre wichtigsten Erkenntnisse: Fehlende Verblindung bei der Endpunkterhebung kann in Ernährungsstudien die Ergebnisse verfälschen. Dies war hauptsächlich dann der Fall, wenn Endpunkte subjektiv eingeschätzt wurden; wurden objektive Parameter wie Lebendgeburten oder Sterblichkeit erfasst, hat eine fehlende Verblindung bei Ernährungsstudien dagegen geringere Auswirkungen.
Überrascht waren die Wissenschaftler*innen, dass andere Bias-Quellen bei randomisierten Studien im Ernährungsbereich nicht so sehr ins Gewicht zu fallen scheinen, wie erwartet. Es zeigte sich bei den meisten Vergleichen kein Unterschied bei den Ergebnissen.
Bei einer anderen Bias-Form, die nicht Teil der offiziellen Bias-Domänen ist, der Ernährungs-Adhärenz (ob die Ernährungsweise wie vorgesehen umgesetzt wurde) gab es keinen Unterschied. Meist war die Adhärenz allerdings “unklar” (ein typisches Problem bei Ernährungsstudien), könnte also durchaus auch “gut“ oder „schlecht“ gewesen sein.
„Die Risk of Bias-Domänen bleiben ein unverzichtbarer Teil bei der Bewertung von Ernährungsstudien“, stellt Julia Stadelmaier klar. „Dazu, ob die Gewichtung einzelner Bias-Formen im Ernährungsbereich möglicherweise überdacht werden sollte, besteht weiterer Forschungsbedarf.“