Ein eigentlich unspektakulärer Sturz auf den gestreckten Arm und schon ist es passiert: Eine proximale Humerusfraktur oder Oberarmkopffraktur. Nun stellt sich die Frage: Operieren oder konservativ behandeln, also durch Ruhigstellen und anschließende Physiotherapie? Ein aktueller Cochrane Review findet bei guter Evidenzlage keinen Vorteil der OP.
Der schulternahe Bruch des Oberarmknochens (proximale Humerusfraktur oder Oberarmkopffraktur) gehört zu den häufigsten Knochenbrüchen überhaupt. Betroffen sind vor allem Menschen über 60 und unter diesen vor allem Frauen. Mit etwas Glück verschieben sich die Teile des gebrochenen Knochens nur geringfügig und der Bruch lässt sich konservativ behandeln, also allein durch Ruhigstellen mithilfe eines speziellen Verbandes. Stärker verschobene (dislozierte) Brüche werden jedoch häufig operiert. Dabei bringt man die gebrochenen Knochen beispielsweise mit Hilfe von Schrauben und Metallplatten wieder in die korrekte Position.
Ein kürzlich aktualisierter Cochrane Review fasst die Evidenz aus 47 Studien mit mehr als 3000 Patient*innen zu verschiedenen Therapieansätzen für unterschiedliche Typen von proximalen Humerusfrakturen zusammen. Sein wohl wichtigstes Ergebnis: Auch für stärker dislozierte klassische Oberarmkopffrakturen zeigt die Evidenz keinen Vorteil einer Operation gegenüber einer konservativen Behandlung. Wohl aber zeigen sich Hinweise, dass ein einmal operierter Bruch mit höherer Wahrscheinlichkeit Folgeoperationen nach sich zieht. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für diese Ergebnisse bewerteten die Autor*innen mit moderat bis hoch.
Für andere Fragen des Reviews erwies sich die Evidenz dagegen als wenig zuverlässig, zumeist konnten die Autor*innen einfach kaum Studien dazu finden. So lässt sich nicht sicher sagen, welche OP-Methode die beste ist, oder ob Operation und konservative Behandlung auch bei selteneren Bruchtypen des Oberarmkopfes ebenbürtig sind. Unklar bleibt auch, wie eine frühe Mobilisierung des gebrochenen Armes schon in der ersten Woche im Vergleich zu einer längeren Ruhigstellung von zwei bis drei Wochen abschneidet.
Der Review unterstützt die Einschätzung vieler Fachleute, dass Oberarmkopfbrüche in Deutschland zu oft unnötig operiert werden. Allerdings ist jeder Bruch unterschiedlich. Im Einzelfall kann eine OP daher auch weiterhin sinnvoll sein. Der Review liefert nun aber eine umfassende, aktuelle und zuverlässige Evidenzgrundlagen für die Entscheidung von Patient*in und Ärzt*in.
Zum Cochrane Review Interventionen zur Behandlung von proximalen Humerusfrakturen bei Erwachsenen