Wie wirkt sich Unterernährung auf das Tuberkuloserisiko aus?

Röntgenbild einer mit Tuberkuloseviren befallenen Lunge

Tuberkulose ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, die weltweit pro Jahr rund 1,6 Millionen Todesfälle verursacht. Die Bedeutung der Tuberkuloseforschung spiegelt sich auch in der Cochrane Library wieder: Mehr als 100 Cochrane Reviews befassen sich mit Diagnose und Behandlung von Tuberkulose. Im Juni 2024 kam ein weiterer systematischer Review hinzu. Darin wurde der prognostische Wert von Unterernährung für die Vorhersage von Tuberkulose bei Kindern und Erwachsenen untersucht.

Tuberkulose ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die hauptsächlich die Lungen betrifft, aber auch andere Organe befallen kann. Eine Tuberkuloseinfektion kann symptomlos verlaufen und als latenten Infektion viele Jahre bestehen bleiben, ohne Symptome zu verursachen. Treten Symptome wie Gewichtsverlust, Fieber, Brustschmerzen und Nachtschweiß auf und diagnostiziert ein Arzt bzw. eine Ärztin „Tuberkulose“, spricht man von einer Tuberkuloseerkrankung. Während im Jahr 2022 in Deutschland nur etwa 5 Menschen pro 100.000 Einwohner neu an Tuberkulose erkrankten, starben weltweit schätzungsweise 1,6 Millionen Menschen an Tuberkulose. 

Unterernährung, definiert als Kraftverlust, Wachstumsverzögerung oder Untergewicht, gilt dabei als einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine Tuberkuloseerkrankung. Das „populationsattributable Risiko“ gibt - unter der Annahme eines kausalen Zusammenhangs - an, welcher Anteil an Tuberkuloseerkrankungen vermieden werden könnte, wenn es keine Unterernährung geben würde. Dieser statistische Wert ist Bestandteil des jährlichen WHO-Tuberkuloseberichts, der einen aktuellen globalen Überblick über Tuberkulose und die Fortschritte bei der Ausrottung der Krankheit bietet. 

Der aktuelle Cochrane Review ermittelte den prognostischen Wert von Unterernährung für die Vorhersage von Tuberkuloseerkrankungen bei Kindern und Erwachsenen in verschiedenen Kontexten. Dafür suchten die Autor*innen sowohl nach retrospektiven als auch nach prospektiven Kohortenstudien, in denen Erwachsene, Jugendliche und Kinder aus unterschiedlichen Gegenden und mit verschiedenen Eigenschaften, einschließlich Unterernährung, eingeschlossen wurden. Als primärer Endpunkt wurde die Inzidenz (also das Neuauftreten) von Tuberkuloseerkrankungen erfasst.

Daten aus insgesamt 51 Kohortenstudien mit über 27 Millionen Teilnehmenden wurden herangezogen und bewertet. Die Hauptanalyse ergab für den betrachteten Zeitraum von weniger als 10 Jahren, dass das Risiko einer Tuberkuloseerkrankung bei unterernährten Personen möglicherweise doppelt so hoch sein könnte wie bei nicht unterernährten Personen. Nur wenige der eingeschlossenen Studien hatten eine Nachbeobachtungszeit von mehr als zehn Jahren. Diese Studien deuten auf ein möglicherweise langfristig noch höheres Tuberkuloserisiko hin (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Dieser Review „kann Gesundheitssystemen helfen, gezielt Interventionen für Bevölkerungsgruppen zu entwickeln, die einem hohen Risiko für Tuberkuloseerkrankungen und Unterernährung ausgesetzt sind", erläutern die Autorin Maria-Inti Metzendorf und der Autor Juan Franco vom Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im aktuellen Cochrane Podcast zu diesem Review. 


Zum Review Unterernährung als Risikofaktor für eine Tuberkulose‐Erkrankung 

Zum Cochrane Podcast "Erhöht Unterernährung das Risiko, an Tuberkulose zu erkranken?" mit Juan Franco und Maria-Inti Metzendorf