Ein aktueller Cochrane Review findet gute Gründe für eine zurückhaltendere Gabe von Blutkonserven. Das könnte helfen, knappes Spenderblut einzusparen und Risiken für Patient*innen zu reduzieren.
Kernaussagen
- Es gibt keine Evidenz dafür, dass die Gabe von Bluttransfusionen an Patienten mit niedrigeren Blutwerten (Hämoglobinwerte von 7,0 bis 8,0 g/dL) im Vergleich zu höheren Blutwerten (9,0 bis 10,0 g/dL) das Risiko von Tod, Herzinfarkt, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Lungenentzündung, Blutgerinnseln oder Infektionen beeinflusst.
- Wenn nur Patienten mit niedrigeren Blutwerten (7,0 g/dL bis 8,0 g/dL) Bluttransfusionen erhalten würden, ließe sich die Menge des benötigten Blutes erheblich reduzieren. Dadurch würde auch die Anzahl unnötiger Transfusionen und damit verbundene Risiken verringert.
- Weitere Forschung ist erforderlich, um:
- für bestimmte Erkrankungen den optimalen Schwellenwert genauer zu bestimmen, ab dem eine Bluttransfusion sinnvoll ist, und um
- unser Verständnis für andere Auswirkungen, etwa auf die Lebensqualität zu verbessern.
Hintergrund
Menschen, die durch Operationen, Blutungen oder Krankheiten Blut verlieren, erhalten häufig Bluttransfusionen, die Leben retten oder die Erholung nach einer Operation beschleunigen können. Spenderblut ist jedoch eine begrenzte Ressource. Zudem sind Transfusionen nicht risikofrei, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen, in denen das verwendete Blut möglicherweise nicht ausreichend auf schädliche Viren wie HIV oder Hepatitis getestet wird. Darum ist es wichtig, Blutkonserven nur dann zu nutzen, wenn sie auch wirklich einen medizinischen Vorteil versprechen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Frage, ab welchem Schwellenwert für die Hämoglobin-Konzentration im Blut der Patient*innen man standardmäßig Bluttransfusionen geben sollte. Hämoglobin ist ein Protein, das dem Blut seine rote Farbe verleiht und das den Sauerstoff im Körper transportiert.
Ziel des Reviews
Das Blutbild misst die Menge an Hämoglobin im Blut. Ein normales Blutbild liegt bei etwa 12 Gramm pro Deziliter (12 g/dL). Wir wollten herausfinden, ob es sicher ist, mit einer Bluttransfusion zu warten, bis dieser Wert auf 7,0 bis 8,0 g/dL sinkt, anstatt schon bei einem höheren Wert von 9,0 bis 10,0 g/dL zu transfundieren.
Vorgehensweise
Die Cochrane-Autoren untersuchten die Ergebnisse von Studien, in denen die Patienten per Zufall einer von zwei Gruppen zugeteilt wurden. In der einen Gruppe erhielten die Patienten bereits dann Bluttransfusionen, wenn ihr Blutbild unter einen höheren Grenzwert fiel (in der Regel im Bereich von 9,0 bis 10,0 g/dL). In der anderen Gruppe erhielten die Patienten erst dann eine Bluttransfusion, wenn ihr Hämoglobin-Wert unter einen niedrigeren Schwellenwert fielen (in der Regel 7,0 bis 8,0 g/dL).
Ergebnisse
Die Autoren fanden 48 Studien mit insgesamt 21 433 Patient*innen. Diese waren aus verschiedenen Gründen ins Krankenhaus eingeliefert worden, etwa, weil sie sich einer größeren Operation unterziehen mussten oder weil sie aufgrund einer Krankheit an akutem Blutverlust litten. In den Studien wurden höhere und niedrigere Schwellenwerte für Bluttransfusionen verglichen.
Zahl der Transfusionen: Die Evidenz des Reviews zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Bluttransfusion zu erhalten, bei niedrigeren Schwellenwerten um 41 Prozent geringer war, als bei höheren Schwellenwerten. Würde der niedrigere Schwellenwert vom medizinischen Personal routinemäßig angewandt, so würde dies zu einer erheblichen Verringerung der benötigten Blutmenge führen.
Tod und schädliche Nebenwirkungen: Das Risiko, innerhalb von 30 Tagen nach einer Transfusion zu versterben, unterschied sich bei den Patienten der beiden Gruppen nicht deutlich. Auch bei der Zahl der schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Infektionen oder Schlaganfällen, die nach einer Bluttransfusion auftraten, gab es keinen relevanten Unterschied zwischen den Gruppen.
Zuverlässigkeit der Evidenz
Die Autoren konnten feststellen, dass die meisten Studien eine hohe Qualität der Evidenz nach GRADE lieferten. Sie wurden angemessen durchgeführt und verwendeten Methoden, die Verzerrungen der Ergebnisse minimierten.
Aufgrund der guten Evidenz haben die Autoren hohes Vertrauen in die Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse, was die Endpunkte der Wahrscheinlichkeit einer Transfusion, des Todes innerhalb von 30 Tagen, eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder einer Infektion betrifft. Weniger sicher sind sie sich, was die Evidenz für durch Blutgerinnsel verursachte Probleme angeht, da in beiden Gruppen zu wenige Fälle auftraten.
Die Lebensqualität wurde nur in wenigen Studien untersucht, so dass sich keine verlässlichen Aussagen über Unterschiede zwischen den Gruppen ableiten lassen.
Wie aktuell sind diese Ergebnisse?
Dieser Cochrane Review ist die Aktualisierung einer früheren Arbeit aus dem Jahr 2016. Die neue Literatursuche lief im November 2020 und erbrachte 17 neue Studien, die in den Review eingingen.
Zum Review Transfusion thresholds for guiding red blood cell transfusion