Freien Zugang zu Wissen sicherstellen, evidenzbasierte Gesundheitsversorgung stärken
Positionspapier der Cochrane Deutschland Stiftung

Freiburg, 20. März 2025. Die Cochrane Deutschland Stiftung (CDS) fordert, dass die Versorgung im deutschen Gesundheitssystem auf vertrauenswürdiger wissenschaftlicher Evidenz basiert. Um Gerechtigkeit, Effizienz und Qualität zu gewährleisten, sollen Entscheidungen – von individuellen Therapien bis hin zur Ebene des Gesundheitssystems – transparent und nachvollziehbar auf Grundlage der besten verfügbaren Evidenz getroffen werden.
„Eine gerechte Gesundheitsversorgung beginnt mit der Art und Weise, wie klinische Forschung geplant und betrieben wird“, betont Prof. Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland. „Um den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken und die Gesundheitsversorgung der gesamten Bevölkerung zu verbessern, sehen wir dringenden Handlungsbedarf in mehreren Feldern.“
1) Zugang zu Wissen sichern
Jeder und jedem sollten die Ergebnisse der medizinischen Forschung in Form von Fachpublikationen und anderen Formaten zur Verfügung stehen. Hierzu sollten sie idealerweise als frei zugängliche Open-Access-Artikel veröffentlicht werden. Aber auch zugrunde liegende Daten sollten auffindbar, zugänglich, interoperabel und nutzbar sein (FAIR-Prinzipien).
2) Forschung auf vorhandenem Wissen aufbauen
Neue Studien sollten auf der Grundlage vorhandener Evidenz geplant werden, um Forschungsgelder gezielt einzusetzen und Redundanzen zu vermeiden. Dies erfordert in der Studienplanung die verbindliche Nutzung systematischer Übersichtsarbeiten, in denen alle bisherigen Erkenntnisse mit nachvollziehbaren Methoden zusammengefasst werden. Im Besonderen ist auch der Einbezug sogenannter „negativer Ergebnisse“ wertvoll, die darauf hinweisen, dass eine Intervention nicht wirksam oder gar schädlich sein kann. Förderorganisationen sollten festlegen, dass der Finanzierung von Forschungsprojekten eine Zusammenfassung der bisherigen Evidenz vorausgeht.
3) Transparenz in der Forschung sicherstellen
Ein erheblicher Teil klinischer Studien bleibt unveröffentlicht, was die Faktenlage verzerrt, Ressourcen verschwendet (Research Waste) und Patient*innen gefährden kann. Studien müssen verpflichtend registriert und deren Ergebnisse zeitnah veröffentlicht werden, um Forschung effizienter zu gestalten und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu wahren. Hierzu werden verbindliche Rahmenbedingungen benötigt.
4) Systematische Übersichtsarbeiten finanziell fördern
In systematischen Übersichtsarbeiten wie beispielsweise Cochrane Reviews wird die Evidenz aus klinischen Studien nach standardisierter Methodik aufbereitet, bewertet und zusammengefasst. Hochwertige Evidenzsynthesen sind eine Voraussetzung für vertrauenswürdige Leitlinien und eine evidenzbasierte Gesundheitsversorgung. Ihre Erstellung ist jedoch ressourcenintensiv und muss stärker finanziell unterstützt werden.
5) Fehl- und Überversorgung abbauen
Medizinische Maßnahmen ohne nachgewiesenen wissenschaftlichen Nutzen belasten das Gesundheitssystem durch Zusatzkosten und Patient*innen durch zusätzliche Risiken (Treatment Burden). Fehl- und Überversorgung müssen reduziert werden. Wenn evidenzbasierte Erkenntnisse konsequent berücksichtigt werden, können unnötige Behandlungen oder Untersuchungen erkannt und Kosten verringert werden. Dies dient dem Wohl der Patient*innen.
6) Zugang zu verständlichen Gesundheitsinformationen gewährleisten
Evidenzbasierte Gesundheitsinformationen müssen unabhängig von Interessenkonflikten erstellt werden. Sie müssen für alle Zielgruppen – medizinisches Fachpersonal, Bürger*innen und politische Entscheidungstragende – verständlich sein und barrierefrei verfügbar gemacht werden. Dies reicht von niederschwelligen Patienteninformationen bis zu medizinischen Leitlinien, die Fachpersonal und Betroffene am sogenannten „Point-of-Care“ bei der evidenzbasierten Entscheidungsfindung unterstützen.
7) Transparenz in der Gesundheitspolitik stärken
Gesundheitspolitische Entscheidungen dürfen den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ignorieren. Eine nachvollziehbare und offene Kommunikation erleichtert ihre Umsetzung und stärkt das Vertrauen der Bevölkerung, insbesondere in Krisenzeiten. Unabhängige wissenschaftliche Institutionen, die frei von kommerziellen Interessen verlässliches Wissen für Politik, Fachkreise und Öffentlichkeit bereitstellen, können hierbei eine zentrale Rolle spielen.
Die Cochrane Deutschland Stiftung steht gerne beratend zur Verfügung.
Prof. Dr. med. Jörg Meerpohl
Valérie Labonté
Lea Gorenflo
Dr. med. Erik von Elm