Definition und Hintergrund
Leitlinien (guidelines) sind systematisch entwickelte Aussagen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung von Ärzt*innen, anderen im Gesundheitssystem tätigen Personen und Patient*innen. Das Ziel ist eine angemessene gesundheitsbezogene Versorgung in spezifischen klinischen Situationen.
Durch Leitlinien soll die Transparenz medizinischer Entscheidungen gefördert werden. Sie werden entwickelt, indem zu speziellen Versorgungsproblemen Wissen aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen und gewertet wird. Zudem ist eine Berücksichtigung und Diskussion gegensätzlicher Standpunkte und besonderer situativer Erfordernisse wichtiger Bestandteil der Leitlinienentwicklung.
Leitlinien entbinden die ärztliche Fachkraft nicht von der Überprüfung der individuellen Anwendbarkeit im konkreten Fall, sie dienen lediglich als Entscheidungshilfen und sind rechtlich nicht verbindlich. Dies unterscheidet sie von Richtlinien.
Leitlinien in Deutschland
In Deutschland hat sich die Arbeitsgemeinschaft für medizinische Fachgesellschaften (AWMF) als Forum für Leitlinien etabliert. Sie nahm 1992 mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung der klinischen Forschung und Praxis ihre Leitlinienarbeit auf. AWMF Leitlinien sind im Internet zugänglich und werden in drei Entwicklungsstufen kategorisiert (Definition der AWMF):
Lediglich Stufe 3 und S2e-Leitlinien sind als evidenzbasiert zu bezeichnen. Für evidenzbasierte Leitlinien ist ein systematisches und transparentes Vorgehen bei allen Schritten der Entwicklung entscheidend.
Die überwiegende Mehrheit der Leitlinien ist zur Zeit weiterhin als Stufe 1 klassifiziert.
Im Juni 2005 wurde das Deutsche Leitlinien-Bewertungsinstrument (DELBI) zur methodischen Leitlinien-Bewertung veröffentlicht, das auf den Grundlagen eines vom Europarat angestoßenen internationalen Statements (AGREE) in Zusammenarbeit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und dem ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) entstand.
Das vorliegende „Manual Systematische Recherche für Evidenzsynthesen und Leitlinien“ wurde in seiner ersten Version im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekts „Acting on Knowledge“ (IIA5-2512MQS006) in Zusammenarbeit von Cochrane Deutschland mit dem Institut für medizinisches Wissensmanagement der AWMF (AMWF-IMWi) sowie dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) erstellt.
Der „Leitfaden für lebende Leitlinien- und Impfempfehlungen“ richtet sich im Besonderen an Erstellende von sogenannten lebenden Empfehlungen, d.h. solchen, die in kürzerer Frequenz aktualisiert werden. Er wurde im Rahmen des vom Innovationsfonds geförderten Projekts „DEAL – Dynamische Evidenzaktualisierung für Aktuelle Leitlinienempfehlungen“ (Förderkennzeichen 01VSF20019) in Zusammenarbeit des Instituts für Evidenz in der Medizin mit dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), dem Robert Koch Institut (RKI) und dem Institut für medizinisches Wissensmanagement der AWMF (AWMF-IMWi) erstellt.
Leitlinien und Cochrane
Im Vergleich zur klassischen evidenzbasierten Medizin, die sich mit einer spezifischen klinischen Frage bei einem/einer individuellen Patient*in auseinandersetzt, bieten Leitlinien i. d. R. jeweils Entscheidungshilfen für eine Vielzahl verwandter klinischer Situationen und Patient*innen-Subgruppen.